Neben dem falschen Maß ist ein weiteres Merkmal aller Süchte, dass an die Stelle des "Eigentlichen", um das es tatsächlich geht, ein leicht erreichbarer oder einfacher verfügbarer Ersatz tritt und dieser Ersatz zunehmend so in den Mittelpunkt kommt, bis sich alles nur noch um den "Ersatz" dreht und das "Eigentliche" völlig in den Hintergrund gedrängt hat. Da das "Eigentliche" nicht verfügbar oder erreichbar ist, zumindest ist dies die unverrückbare Grundannahme des Süchtigen, erhöht er permanent den Anspruch, wenigstens den "Ersatz" ständig verfügbar zu haben und nicht und niemals zu verlieren.
Er, der Süchtige, ist zunehmend bereit, alles, aber auch wirklich alles zu unternehmen, um diesen "Ersatz" zu erhalten und sich immer wieder zu beweisen, dass er jederzeit den "Ersatz" haben kann.
Sie wissen, dass das Höchste, was ein Mensch einsetzen kann, seine eigene Persönlichkeit, seine Ehre und Selbstachtung, sein Körper und sein Geist und insbesondere die Liebe ist. All dies wird instrumentalisiert, um den "Ersatz" immer wieder zu erhalten. Gleichzeitig baut sich der Süchtige eine Scheinwelt auf, in welcher das "Eigentliche", das er sucht, für ihn ständig verfügbar wäre und der "Ersatz" auf den er - wirklich nur im Ausnahmefall, so wie er annimmt -, zurückgreift, wirklich nur ein unwürdiger "Ersatz" ist und er selbst in keiner Weise von diesem "Ersatz" abhängig sei, weil, - so denkt er-, er doch jederzeit das "Eigentliche" haben könnte.
Da der "Ersatz" jedoch nicht zur Befriedigung des tatsächlichen Bedürfnisses führt und dies "danach" dem Süchtigen jedes Mal absolut klar wird, überhäuft sich der Süchtige beim "Kater" entweder mit Selbstvorwürfen oder mit Selbstgerechtigkeiten, warum ihm niemand und niemals er sich etwas vorwerfen kann oder Andere ihm etwas vorwerfen können.
Die Selbstvorwürfe liefern dann oft den Grund zur nächsten Runde. Die Selbstgerechtigkeit enthält die Herausforderung, sich und den Anderen zu "beweisen", dass man nicht "abhängig" sei, was natürlich ebenfalls nur wieder in der nächsten Runde landet.
Der Süchtige steht ständig unter einem inneren Druck, den er jedoch gegenüber Dritten niemals zugeben würde. Falls es doch geschieht, dann niemals mit einem Bezug zur (eigenen) Sucht.
Den inneren Druck kann der Süchtige nur mit dem Suchtmittel unter Kontrolle halten oder, falls dies nicht gelingt, mit einer höheren Dosis betäuben. Zumindest vorübergehend.